Waren sie Könige, Magier, Weise...?

 

   Obwohl im Evangelium nach Matthäus nur ein paar Zeilen über sie geschrieben sind, gerade mal neun Verse von ihnen berichten, wurden über sie schon unzählige Geschichten erzählt und ganze Bücher geschrieben, halten Zigtausende von Darstellungen, über die ganze Welt verstreut, den Augenblick fest, der zu ihrer großen Sternstunde geworden ist. Wir wissen nur wenig über sie. Die Heilige Schrift nennt sie Sterndeuter, Magier oder Weise, je nach Übersetzung. In der Volksfrömmigkeit sind sie zu Königen aufgestiegen, drei an der Zahl geworden, jeder genau mit Namen identifiziert. Aus dem Osten sollen sie gekommen sein, von weit her, mehr weiß die Schrift über ihre Herkunft nicht. Dennoch wissen über zwei Milliarden Christen von ihnen und auch viele Millionen Nichtchristen.

   Aus dem Osten von weither kommend haben sie in Jerusalem ganz unbedarft, ohne die Konsequenzen zu bedenken, die Frage gestellt: „Wo ist der neugeborene König der Juden?“ Diese Frage war von weltgeschichtlicher, heilsgeschichtlicher Tragweite. Sie hatten seinen Stern aufgehen sehen und sind ihm gefolgt, weil sie dem neugeborenen König huldigen wollen. Ein mächtiger Despot erschrickt bei diesen Worten, ein Neugeborenes erfüllt ihn mit so großer Angst, dass er zum berüchtigten Kindermörder von Betlehem wird. Der Stern zieht wieder vor ihnen her und bleibt über dem Ort stehen, wo das Kind ist. Sie finden das Kind. Ihr langer Weg ist zu Ende, sie sind am Ziel. Sie fallen nieder, so heißt es bei Matthäus, und huldigen dem Kind und überbringen ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe als ihr Geschenke. Innige, demütige Geste großer Anbetung.

   Wir wüssten heute dennoch nichts von diesen Sterndeutern, Weisen oder Magiern, wenn dieses Kind, der neugeborene König der Juden, nicht den unvorstellbarsten Weg gewählt hätte, der dreißig Jahre später in Jerusalem am Kreuz zu Ende war. Pilatus hate ihn noch gefragt, ob er ein König sei und ließ dann über seinem Kreuz das Todesurteil anschreiben: Jesus von Nazaret, König der Juden. Er trug noch die Dornenkrone, er, der am Vorabend seinen Jüngern noch die Füßen gewaschen hatte. Aber sein vermeintliches Ende wurde zum großen Sieg über Sünde und Tod. Den menschlichen, irdischen Tod überwindend, alles Verstehen und Begreifen übersteigend, auferstand er zu neuem, ewigem, göttlichem Leben, um den Menschen Retter und Erlöser aus dem Dunkel menschlicher Verfallenheit an das Böse zu werden.

 Einem Stern folgend sind diese Sterndeuter selber Stars geworden für die Bibelwissenschaftler, die sich den Kopf zerbrechen, was das für Leute waren, und woher sie kamen und wie das mit dem Stern gewesen sein könnte... Vielleicht wollte Matthäus aber viel Wichtigeres mitteilen als geschichtliche Fakten über Sterndeuter, Weise, Magier oder Könige. Und wir zerbrechen uns den Kopf, woher sie kamen und welchen Weg sie genommen haben könnten. Wir suchen Antworten in der Geographie und in der Historie und vergessen dabei fast auf das Kind, das die Zukunft der Welt umgeschrieben hat.

   Über jedem von uns geht so ein Stern auf, um uns zu diesem Kind zu führen. Aber haben wir ein Auge für diesen Stern, nehmen wir ihn noch wahr? Sehen wir ihn noch oder ist der Himmel über uns schon so voll mit Sternschnuppen, so zerfurcht und zerpflügt von Irrlichtern, sie den Stern verdecken? Und wenn wir ihn doch ausfindig gemacht haben, seinen Stern an unserem Himmel, trauen wir ihm und folgen wir ihm, sodass er nicht vergeblich vor uns herzieht? Wenn wir aufschauen und aufbrechen und vertrauen wie diese Gottsucher, dann werden auch wir, selber Sterndeuter, Weise, Magier oder Könige geworden, von woher auch immer wir kommen, eine Epiphanie, eine Erscheinung des menschgewordenen Gottes erleben.

 

© Josef Gredler