Wie die Hirten

 

     Im Weihnachtsevangelium steht geschrieben, dass Hirten die ersten waren, denen die Botschaft der Menschwerdung des Gottessohnes verkündet wurde. Das ist verwunderlich, wenn man bedenkt, dass die Hirten gemeinsam mit Dirnen und Zöllnern zur untersten Schicht der sozialen Rangordnung gehörten. Seither sind diese Hirten untrennbar mit der Botschaft der Weihnacht verbunden.

     Vielleicht hast du eine Krippe daheim, die in diesen Tagen wieder ihren vertrauten Winkel in deiner Wohnung einnehmen darf. Wenn du dann die Hirten anfasst, um den Staub eines lan-gen Jahres abzuwischen und jedem von ihnen seinen Platz in der Krippe zuzuweisen, dann halte ein wenig inne, um bei diesen Hirten zu verweilen! Was war denn an diesen Hirten, dass sie in jener Nacht die ersten sein durften?

 

Diese Hirten waren wachsam;

schließlich war ihnen ja eine ganze Herde anvertraut.

Da bedurfte es schon eines wachen Sinnes nach allen Seiten.

So waren sie bereit und empfänglich für die Botschaft des Engels.

Wachen wie die Hirten...

Als wachsame Hirten konnten sie hören,

mit ganzem Herzen hinhören auf die Botschaft,

die ihr Verstehen völlig übersteigt.

Hören wie die Hirten...

Diese Hirten vertrauten der schier unbegreiflichen Botschaft.

Sie schenkten den offenbarenden Worten des Engels ihr Herz.

Vertrauen wie die Hirten...

In diesem gläubigen Vertrauen brachen sie auf,

um der Verheißung dieser Nacht zu folgen.

Sie suchten und fanden den Retter und Erlöser.

Aufbrechen, suchen, finden wie die Hirten...

Sie, die Geringsten ihrer Zeit, waren die ersten,

die das göttliche Kind in der Krippe schauen durften.

Ihr Blick, der noch zuvor

dem nächtlichen Sternenhimmel über ihnen galt,

senkte sich nun nieder zu einem Kind.

Schauen wie die Hirten...

Da überkam diese Hirten ein Staunen.

Was hier geschah, war nur mit einem kindlichen Staunen fassbar.

Staunen wie die Hirten...

Was die Hirten hatten, war nicht viel.

Aber davon gaben sie voll Freude und Liebe,

als wären die unscheinbaren Gaben sie selber.

Schenken wie die Hirten...

Dann beugten die Hirten ihr Knie

vor dem dem Kind in der Krippe, dem Erlöser der Welt.

So klein muss man werden, um so Großes erfahren zu können.

In dieser Geste der Anbetung

findet der Glaube seinen tiefsten Ausdruck.

Anbeten wie die Hirten...

 

     Wenn die Hirten nun alle an ihren Platz in der Krippe gestellt sind, will auch ich einer von ihnen sein, mich von der Botschaft des Engels berühren lassen wie die Hirten in jener Nacht auf dem Feld zu Betlehem.

 

© Josef Gredler