Eine Stimme ruft in der Wüste

 

   Johannes der Täufer war die große adventliche Gestalt, die in der Wüste wortgewaltig ihre Stimme erhob und die Menschen zur Umkehr aufrief. Bei Matthäus bringt es Johannes mit ein paar Worten auf den Punkt „Kehrt um! Denn das Himmelreich ist nahe.“ Und die Menschen strömten in endzeitlicher Erwartung und voll messianischer Hoffnung zu ihm hinaus, bekannten ihre Sünden und ließen sich taufen. Das ist die Botschaft, die in diesen Wochen des Advents auch uns erreichen möchte. Sie passt aber so gar nicht in die pseudoweihnachtliche Stimmung, die gezielt geschürt wird, aber mit Ankunft Jesu in unserer Welt nichts zu tun hat. Es ist so ein klebrig sentimentaler Mix aus Dunkelheit, Lichtlein, Schneeflocken und Lebkuchen, der den Aufruf des Johannes übertönt. Zuckerwatte schmeckt besser als die leidenschaftlichen Worte des asketischen Täufers. So ist der Advent und mit ihm sein größter Protagonist von der Bildfläche dieser Tage verschwunden, um die Menschen schon vor dem Ersten Adventsonntag in weihnachtssüße Stimmung zu hieven. Die Botschaft des Advents, der Aufruf zur Umkehr steht der billigen weihnachtlichen Animation nur im Wege. Außerdem ist mit dem, was Advent wirklich meint und sein soll, kein Geschäft zu machen. So gesehen wären die Wochen des Advents nur eine unliebsame Durststrecke bis zum „großen Fest“. Deshalb werden sie mit billigem weihnachtlich gefärbtem Kleister überstrichen. So haben wir von Ende November bis zum Beginn des neuen Jahres „Weihnachten“ bzw. das, was man für Weihnachten hält. Banale Sentimentalität und steigende Bilanzen sind wichtiger als Umkehr zum Himmelreich. Wer den johanneischen Aufruf dennoch nicht überhören möchte, muss die aufdringlichen vorweihnachtlichen Stimmungsmacher leiser stellen, zurückdrehen.

   Kamelhaarmantel, Heuschrecken und wilder Honig sind nicht weihnachtliche Insignien, sondern lassen an den Propheten Ezechiel denken, mit dem sich Johannes sichtbar identifiziert. Dann übernimmt wieder Matthäus das Wort: „Eine Stimme ruft in der Wüste: Bereitet dem Herrn den Weg!“ Es sind eigentlich nicht seine Worte, sondern die des Advent-Propheten Jesaja. Wir werden nicht die Wege dieser Welt für die Ankunft Gottes bereiten können. Aber sind nicht auch in unserem ganz persönlichen Leben zu viele Hügel aufgeschüttet, die sein Kommen verhindern? Wollen wir in diesen Wochen des Advents diese Erdbewegungen wagen, um diese Aufschüttungen in uns abzutragen, damit in uns das Himmelreich, das Reich Gottes, die Gottesherrschaft anbrechen kann? Haben wir nicht oft schon und immer wieder gespürt, dass die Richtung nicht stimmt, in die unser Leben sich bewegt? Dieses „Kehrt um!“ war doch immer wieder ganz leise da. Jetzt in diesen Tagen des Advents wollen wir es deutlicher hören, ihm Gehör verschaffen und auch unser Ohr leihen. Wir müssen unsere heillosen Wege nicht fortsetzen wie bisher. Advent wäre der Aufruf zum Richtungswechsel. Dieser Richtungswechsel ist möglich, nicht kraft eigener Anstrengung, sondern weil wir dazu aufgerufen, eingeladen sind. Wohin es genau gehen soll, erfahren wir, wenn wir in den Evangelien weiterlesen.

   Eines Tages kam Jesus an den Jordan, um sich von Johannes taufen zu lassen. Er hatte Nazaret verlassen und begann die Menschen Israels für die Gottesherrschaft zu sammeln. Johannes ging ihm nur ein Stück voraus. Er handelte nicht in eigener Ermächtigung, sondern das Wort Gottes war dazu an Johannes ergangen. Er stellte sich ganz in den göttlichen Auftrag zu dieser adventlichen Botschaft. Johannes stand dabei noch ganz in der alttestamentlichen Tradition der Gerichtspropheten und verkündete einen sehr strengen, ja zornigen Gott. Jesus sah Gott als einen liebenden und daher auch vergebenden Gott, dem er sich ganz verbunden wusste und den er liebevoll Abba nannte. Auch wir dürfen uns diesem Abba verbunden wissen und uns in ihm festmachen. Diesem Gott sollte sich Israel wieder neu zuwenden. Diesem Gott sollen auch wir uns wieder zuwenden, die Hindernisse aus dem Weg räumen, unserem Leben die Richtung zu ihm hin geben. In dieser Umkehr ist es noch zu früh für die vertrauten, das Herz rührenden weihnachtlichen Lieder, Lichter und Köstlichkeiten. Aber die Wochen des Advents dazu nützen, diese Aufschüttungen abzugraben, die uns hindern, dass unser Weg zu ihm frei wird und sein Weg zu uns. „Ebnet ihm die Straßen!“ schreibt Matthäus. Auf einer dieser Straßen führt auch unser Weg zum Fest der kommenden Weihnacht, seiner Ankunft als Kind in dieser Welt, um uns aus der Umklammerung des Bösen zu befreien und in die Strömung des Heils zu stellen.

 

© Josef Gredler